ANSPRACHE DES ITALIENISCHEN GENERALKONSULS IN MÜNCHEN, RENATO CIANFARANI,

ANLÄSSLICH DES EMPFANGS ZUM JAHRESTAG DER REPUBLIK ITALIEN

(Künstlerhaus, 2. Juni 2016)

 

 

Geschätzter Herr Staatsminister Dr. Huber,

sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,

liebe Gäste!

Illustri ospiti!

 

Es ist mir eine große Ehre, Sie heute in diesem wunderschönen Rahmen empfangen zu dürfen, um gemeinsam mit Ihnen den italienischen Nationalfeiertag zu begehen. Dem diesjährigen Gedenktag kommt eine besondere feierliche Gewichtung zu – sind doch nunmehr genau 70 Jahre seit jenem denkwürdigen Tag vergangen, als sich am 2. Juni 1946 bei der Volksabstimmung über die Frage „Monarchie oder Republik“ die Mehrheit der Italiener für die Republik aussprach.

 

Meine Damen und Herren,

zunächst darf ich die hochrangigen Vertreter der Behörden und Institutionen willkommen heißen   und Ihnen meinen Dank für Ihr Kommen aussprechen:

Ihr zahlreiches Erscheinen ist ein eindrucksvoller Beweis für die starken Bande im Zeichen von Freundschaft und Zusammenarbeit, die zwischen Italien und Deutschland bestehen.

Gerade in diesen letzten Jahren hat die Zusammenarbeit zwischen der Republik Italien und der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen auf wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und wissenschaftlicher Ebene in der Tat ein beachtlich hohes Niveau erreicht.

Mit Blick auf die grundlegenden politischen und wirtschaftlichen Fragen im europäischen wie im internationalen Kontext beziehen unsere beiden Länder heute gemeinsame oder sehr ähnliche Positionen. Was etwa das wohl am intensivsten diskutierte Thema des zurückliegenden Jahres anbetrifft, nämlich die Flüchtlings-Frage, ist der Ansatz Italiens demjenigen Deutschlands im Grunde durchaus ähnlich: Er begründet sich auf der Erfordernis einer nachhaltigen gesamteuropäischen Strategie, in der die Dimensionen und zumal auch die Gründe für die Migration in ihrer Gänze zu erfassen sind. Dabei beziehe ich mich auf die Entwicklungskooperation und auf die Lösung der Konflikte in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, auf die Vereinbarungen mit den Transitländern, auf die Überwachung der europäischen Außengrenzen – und nicht zuletzt auch auf eine gerechte Aufteilung der Verantwortung und der Verpflichtungen unter sämtlichen Ländern Europas.

 

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten haben sich auch im vergangenen Jahr weiter gefestigt: Bei einem Warenaustausch mit einem Volumen von 107 Milliarden Euro pro Jahr ist Deutschland für Italien der wichtigste Handelspartner.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein Detail hervorheben, das vielleicht etwas weniger bekannt ist: In erster Linie importiert Deutschland aus Italien Maschinen (in denen wiederum größtenteils italienische Hochtechnologie verbaut ist) sowie Verkehrsmittel, darunter Kraftfahrzeuge. Italien ist des Weiteren das drittwichtigste derjenigen Länder, die in Deutschland Investitionen tätigen. Derzeit stehen bei deutschen Unternehmen mit italienischer Beteiligung mehr als 100.000 Beschäftigte auf der Pay Roll – und das bei einem Jahresumsatz, der sich auf mehr als 60 Milliarden Euro beläuft.

 

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich jedoch in meiner Ansprache nun direkt auf den Freistaat Bayern eingehen:

So oft habe ich diese „berühmte“ Phrase gehört, dass „München die nördlichst gelegene italienische Stadt“ sei. Doch das ist gewiss nur ein Teil der Wahrheit:

Man braucht sich nur den Einfluss zu vergegenwärtigen, den Italien auf die Kunst ebenso wie auf die Architektur in so vielen der anderen wunderschönen großen und kleinen Städte im Freistaat hat, um zu verstehen, welche uralten historischen Bindungen zwischen Italien und Bayern in seiner Gänze bestehen! Und zu diesen historischen Bindungen sind im Laufe der Zeit konsolidierte politische, wirtschaftliche und menschliche Beziehungen hinzu gekommen – mit dem Ergebnis, dass heutzutage Bayern das erstrangige Bundesland der BRD ist, was die Beziehungen zu Italien anbetrifft.

Ständige Kontakte bestehen auf politischer Ebene; es kommt zu häufigem Besuchsaustausch. Gestatten Sie mir, in diesem Kontext beispielhaft den jüngsten Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und des Leiters der Staatskanzlei, Staatsminister Marcel Huber in der nordostitalienischen Metropole Trièst hervorzuheben: Zum Abschluss dieses Besuchs wurde zwischen dem Freistaat Bayern und der autonomen Region Friaul – Julisch Venetien ein Vertrag zur engeren Kooperation in den Bereichen Verkehr, Wirtschaft und Landwirtschaft geschlossen.

Häufig finden ergebnisorientierte Treffen auf Behördenebene zwischen Exponenten aus Bayern und aus Italien statt. Italien braucht Bayern und Bayern braucht Italien – und auf beiden Seiten wird an der weiteren Intensivierung im Hinblick auf Austausch und wechselseitige Investitionen gearbeitet. Mit 20 Milliarden Euro im Jahr ist Italien europaweit der zweitstärkste Handelspartner Bayerns und zudem in absoluten Zahlen der erstrangige Investor im Freistaat.

 

Meine Damen und Herren,

gestatteten Sie mir bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Italien unmittelbar nach Deutschland das wichtigste unter den Industrieländern in Europa ist, in dem das verarbeitende Gewerbe Mehrwert schafft. Und ebenso wie Deutschland ist bekanntlich auch Italien ein in hohem Maße exportorientiertes Land.

Italiens Wirtschaft gründet auf solidem Fundament: Nach jüngsten Schätzungen ist für 2016 ein Anwachsen des realen Bruttoinlandsproduktes von 1,1 prozent zu erwarten. Das Jahresdefizit befindet sich bereits jetzt auf dem Wege der Verringerung, während das Verhältnis zwischen Staatsverschuldung und Bruttoinlandsprodukt sich ab dem nächstem Jahr reduzieren wird.

 

Lassen Sie mich auch auf die herausragenden Leistungen italienischer Herkunft auf wissenschaftlicher wie technologischer Ebene hinweisen, die es gerade hier in Bayern zu Haufe gibt: Ein wesentlicher Teil der an der Europäischen Südsternwarte ESO in Garching zum Einsatz kommenden Technologie stammt aus Italien – und gleiches gilt für wichtige in den Jagdflugzeugen „Eurofighter „und „Tornado“ installierte Spitzentechnik. Und weiter darf ich unter den zahlreichen Beispielen die aktive Rolle hervorheben, die Italien im Kontext der Europäischen Weltraumorganisation ESA und zumal im Hinblick auf den Bau und den Betrieb des ESA-Satelliten Sentinel-1B einnimmt.

 

Wie Ihnen allen bekannt ist, sind einige Hundert italienische Forscher und Wissenschaftler an den prestigeträchtigen Universitäten und Forschungszentren Bayerns im Einsatz.

 

Ich möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, darauf hinzuweisen, dass Italien auch in politischer Hinsicht in Bewegung ist: In den letzten Monaten traten diverse Reformen in Kraft – Reformen, bei denen die Steuern, der Arbeitsmarkt, die Renten, der Bankensektor und die Ziviljustiz im Fokus standen – und dazu kamen allerhand Privatisierungen, Spending-Review-Maßnahmen sowie Initiativen zur Forcierung von Krediten und Investitionen, insbesondere im Bereich Forschung.

 

Und schließlich, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass Italien auf internationaler Ebene ein überaus wichtiger Player ist, nämlich als Förderer und Verfechter zahlreicher Initiativen in politischer Hinsicht sowie für Frieden und humanitäre Ziele: So ist Italien europaweit das Land mit der größten Anzahl von Soldaten, die sich in Missionen für den Frieden engagieren – gegenwärtig sind 4.000 italienische Soldaten in 20 Ländern eingesetzt.

 

Meine Damen und Herren,

ich komme langsam zum Schluss – aber ich möchte es keinesfalls versäumen, besonders herzlich die anwesenden Vertreter der zahlenmäßig wirklich beachtlichen italienischen Gemeinschaft zu grüßen, die gestern wie heute einen unschätzbaren Beitrag zur Bereicherung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens im Freistaat leistet: Mehr als 100.000 Italiener leben und arbeiten in Bayern, mit steigender Tendenz – ein weiteres Zeugnis für die nicht nur geographische, sondern auch menschliche und kulturelle Nähe zwischen der Republik Italien und dem Freistaat Bayern. Stark und stärker ist hier in Bayern eine italienische Präsenz in nahezu allen Geschäftszweigen und Berufen zu verzeichnen – ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man bei aller Liebe für sein Herkunftsland doch zu einem unverzichtbaren Teil des sozialen Gefüges desjenigen Landes werden kann, in dem man seinen Lebensmittelpunkt hat.

Dieser tüchtigen italienischen Gemeinschaft gilt einmal mehr alle nur erden-kliche Sympathie, Wertschätzung und Unterstützung von Seiten sämtlicher italienischer Institutionen – angefangen mit dem Italienischen Generalkonsulat in München.

 

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit!